Blasmusik auf Hochglanz
Und der absolute künstlerische Glanzpunkt in einer attraktiven Reihe von Events, wie sie sich der nach 22 Jahren scheidende Landesobmann Wolfram Baldauf zum heurigen 100-Jahr-Jubiläum des Vorarlberger Blasmusikverbandes (VBV) ausgedacht hat. Allerdings ist dieses Konzert von fast drei Stunden den Verantwortlichen zeitlich aus dem Ruder gelaufen.
„Windwerk“ – das ist Blasmusik auf sinfonischem Niveau, gegründet vor 25 Jahren von Thomas Ludescher als „Sinfonisches Blasorchester Vorarlberg“. Es ist bis heute das repräsentative Aushängeschild des VBV, ein Vorzeigeorchester von höchster Qualität zum Ansporn der Musikanten, Thomas Ludescher als Dozent in Feldkirch, Innsbruck und Bozen eine weitum anerkannte Galionsfigur der Blasmusik. Er steht gerade bei einem solchen Mammutprogramm unglaublich souverän über der Sache, zeigt den Meister, poliert Klangmassen auf Hochglanz und das in einer Intonationsreinheit, über die es einfach nichts mehr zu diskutieren gibt.
Originalkompostionen
Mit geradezu prophetischem Sendungsanspruch hat er „Windwerk“ in seiner speziellen sinfonischen Besetzung zu einem Präzisionsinstrument hochstilisiert, das diesem Anspruch auch diesmal imposant gerecht wird. Es ist mit 67 ausgewählten Blasmusikern relativ schlank besetzt, davon 21 Frauen und 16 junge Talente als Signal an die Zukunft. Doch während es früher höchstes Ideal es war, möglichst wie ein großes Symphonieorchester zu klingen, so legt man heute vor allem Wert auf die eigene Identität in einem speziellen Klang, der Grenzen erweitert und neue Maßstäbe für das Genre Blasmusik setzt. Das Zauberwort heißt Originalkompositionen, die geschickte Arrangeure den neuen Erfordernissen anpassen. Aus einer Ausschreibung des Blasmusikverbandes unter inhaltlichen Vorgaben für diesen Anlass gingen drei junge Komponisten mit neue Werken hervor, die im ersten Teil uraufgeführt wurden.
Während die „Perspektiven“ des Südtirolers Tobias Psaier mit ruhigen, warmen Klängen noch die starke Verhaftung in der heimatlichen Tradition signalisieren, wagt sich der Götzner Martin Schorn, der bei Ludescher Komposition studiert, mit seiner „Illphonie“, die die Wasserkraft symbolisiert, schon deutlich weiter vor, geht von bloßen Schönklängen ab, bringt rhythmische Akzente ein.
Das eindeutige Filetstück aber stammt vom Tiroler Martin Rainer, Klarinettist der Wiener Symphoniker, der mit seinem fünfsätzigen Divertimento zu verschiedenartigen Themen ein originelles, klanglich und rhythmisch packendes und enorm anspruchsvolles Meisterwerk an aktueller sinfonischer Blasmusik liefert, das man gerne wieder hören würde.
Die Kraft der Tradition
Weit weniger spannend verläuft dann der zweite Teil mit geschlagenen 30 Minuten amerikanischer Musik, toll komponiert und arrangiert, ebenso toll und konzentriert gespielt, aber in ihrer stilistischen Gleichartigkeit auf Dauer eindeutig zu lang. Da kann auch Martina Ess in ihrer kundigen verbalen Begleitung nicht mehr viel ausrichten. Nach knapp drei Stunden dann als Zugabe noch ein Stück mit Marschthemen, das Thomas Ludescher dem VBV als Geburtstagsgeschenk widmet: „Die Kraft der Tradition“.
Fritz Jurmann
Dieser Beitrag ist am 22. Oktober 2024 in den Vorarlberger Nachrichten erschienen.
Fotorechte: VN Roland Paulitsch